In Letlhakane machten wir Halt, um Heidi nach den Salzpfannen ne Beauty Behandlung zu gönnen. Während wir im Schatten auf einer provisorisch zusammengeschusterten Palettenbank saßen, kamen wir mit drei Einheimischen Männern ins Gespräch. Einer davon sah aus wie Will Smith (ich glaube, er war es auch), trug selbstbewusst weiße Sneakersocken in seinen schwarzen Flip Flops, die Sonnenbrille saß weit vorne auf seinen Nasenflügeln und um das Bild abzurunden, trank er bereits morgens Hennessy-Bull auf Eis. Um 10 Uhr…
Die Männer waren total fasziniert von unserem Abenteuer, wollten alles darüber erfahren und pochten natürlich auf eine Roomtour! Also öffnete Pascal die Schiebetür zu unseren heiligen Hallen. Und wir wären ja nicht in Afrika, wenn aus den 3 Schaulustigen plötzlich 9 wurden… Hahaha! Eine riesen Menschentraube hatte sich um Heidi gebildet, ich vernahm immer mal wieder ein staunendes „OHHHHH!“ und sah schüttelnde Köpfe, weil wir in unserem Fahrzeug mehr Komfort hatten, als es viele der Einheimischen zuhause hatten… Die Männer lachten herzlich zusammen und einer von ihnen bedauerte mehrmals, dass wir nicht den ganzen Tag zusammen verbringen konnten. Zum Abschied gab’s für Pascal en Viertel Liter Hennessy on ice und die Laune war dementsprechend besonders gut. PROST!
In Maun begegneten wir Daniel und Karin aus Schweden. Die beiden waren ziemlich krasse Weltenbummler und nutzten jede freie Sekunde, um unsere Erde zu entdecken. Daniel war bereits in über 120 Ländern und hatte alle 7 Kontinente gesehen, WOW! Dementsprechend hatte das Paar unendlich viele Geschichten aus aller Welt im Gepäck. Total inspirierend!
Wir waren wirklich ein gutes Match und beschlossen, unsere Reise gemeinsam fortzusetzen. Fünf Tage verbrachten wir zusammen, bekochten uns gegenseitig, tranken Wein und genossen die Gesellschaft! Wir hatten echt ne gute Zeit und irgendwie merkte ich erst jetzt, wie sehr mir diese soziale Anbindung fehlte. Wir waren sooo oft einfach „nur“ zu dritt. Und ich fühlte, dass jede/r von uns mehr Kontakte nach Außen brauchte! Leichter gesagt, als getan. Wir waren oft die Einzigen auf den Campingplätzen und hinzu kam, dass NIEMAND außer uns mit Kleinkind durch Afrika reiste… Also standen die Karten für uns alle ziemlich schlecht. Um ehrlich zu sein, hatten wir uns das anders vorgestellt.
Unsere Reise ging weiter ins Okavango Delta.
INFO: Das Okavango Delta ist ein großes Binnenflussdelta im nördlichen Teil Botswanas. Die weitläufigen Grasflächen werden saisonal überschwemmt und bieten dementsprechend viel Lebensraum für Tiere.
Wir peilten das Moremi Game Reserve an, einen Nationalpark, der im Osten des Deltas lag. Die Schotterpiste, die zum Gate führte, war vielleicht die ätzendste, die wir jemals gefahren waren. Schlaglöcher, Kies, Sand und durch die Riefen in der „Straße“ hörte es sich in Heidi so an: „RA-TA-TA-DUFFFFF-TA-TA-TA-RA-DUFFFF-DUFFF“… 1,5h brauchten wir für 40km. Es war Horror.
Aber diese wilde, unberührte, urige Natur hat uns umgehauen. Es wurde immer grüner. Botswana war auf einmal nicht mehr langweilig flach mit ein paar kleinen Büschen, ganz im Gegenteil: Mopane- und Akazienwälder bestimmten das Bild und durch die Überschwemmungsgebiete zierten blaue Lagunen diese magische Landschaft. Elefanten, Zebras, Wildschweine und Impalas kreuzten unseren Weg und kurz vor unserem Wildcamping Spot zog eine mehrköpfige Giraffen Familie durch die abwechslungsreiche Buschlandschaft.
Ich kann mich so gut daran erinnern, wie nervös wir waren, als wir an unserem Schlafplatz ankamen. Noch nie hatten wir unser Lager so richtig zwischen wilden Raubkatzen, Elefanten und Nashörnern aufgeschlagen…
Als wir die Schiebetür öffneten und uns langsam heraus wagten, kreiste ich permanent wie ein Helikopter über Pan, damit auch KEIN Leopard die Chance bekam, ihn zu fressen. Ich wich ihm keinen cm von der Seite und jede Raubkatze um uns herum wusste, dass mit MIR nicht gut Kirschen essen war… Ich führte mich auf, wie ein wild gewordenes Muttertier. Peinlich.
Mit Pascals gesammelten Holz machten wir en Feuer, das uns etwas entspannter stimmte. Aber um ehrlich zu sein, war dieser Spot purer Stress für mich. Bei jedem Geräusch zuckte ich zusammen, sprang auf und warf einen scannenden Rundumblick in die endlose Weite. Pascal schüttete sich währenddessen 3 Angst-Bier rein und als die Sonne unterging, waren wir alle irgendwie dankbar, dass wir endlich die Schiebetür hinter uns zu ziehen konnten und sicher im Bett lagen. Was total schade war, denn dieser Platz war ein Traum: wir standen mitten im Nirgendwo, unter der einzigen Palme weit und breit und waren ganz für uns alleine. In der Nacht hörten wir Raubkatzen jaulen und die Sterne am Himmel leuchteten hier heller, als an jedem anderen Ort dieser Erde!
Früh morgens packten wir unsere Sachen und fuhren nur wenige Minuten zum Moremi Gate.
ACHTUNG: Am 01.04.2022 stiegen die Eintrittspreise der Nationalparks Chobe und Moremi auf 270 Pula p.P. und 115 Pula pro Fahrzeug. Die Gebühren gelten KEINE 24h. Wer über Nacht bleibt, bezahlt auch den Folgetag komplett.
Die Wege im Nationalpark waren mehr als nur anspruchsvoll: Tiefsand, Matsch, metertiefe Schlammlöcher… Von jeder Herausforderung gab’s quasi die geballte Ladung… Aber mittlerweile hatte Pascal so krasse Offroad Skillz. Für ihn war kein Loch zu tief. Keine Pfütze zu feucht und keine Spalte zu groß… Hab ich das gerade wirklich geschrieben?! Hahaha.
Bei der Xakanaxa Campsite buchten wir eine Bootstour durch das Delta. Unzählige Wasserlilien säumten die vielen Kanäle, die wie ein riesiges Labyrinth auf uns wirkten. Links und rechts davon wuchsen meterhoch Gräser, die nicht mit dem Boden verwurzelt waren, sondern auf der Wasseroberfläche schwammen. Unser Guide zeigte uns die Luxus Lodges, die 1500€ die Nacht kosteten (so viel Geld hatten wir nichtmal im Monat zur Verfügung, hahaha) und fuhr uns zur wunderschönen „blauen Lagune“.
Das Delta war Lebensraum von hunderten Vogelarten, Krokodilen, Flusspferden und Elefanten. Leider hatten wir wenig Glück und sahen lediglich ein kleines Krokodil und einen Jesus Vogel (diese bewegen sich auf den Blättern der Wasserlilien fort und so scheint es, als könnten sie auf den Wasser gehen). Trotz allem war die Bootsfahrt auf dem Delta ein unvergessliches MUSS!
Noch am selben Abend verließen wir den Nationalpark und fuhren zurück an unser vertrautes Plätzchen im Busch. Die Abendsonne hüllte alles um uns herum in einen warmen orange-Ton und die Nervosität von gestern schien sich zu legen… Das schützende Lagerfeuer brannte, Pan zupfte Zweige auseinander und wir ließen den Tag bei einem Bier Revue passieren. Wie versöhnlich, dass wir diesen Ort doch noch genießen konnten.
Nach einer ruhigen Nacht begannen wir den Tag mit gefüllten Müsli Schalen und saßen gemütlich vor dem Bus. Bis ich plötzlich ein komisches Geräusch vernahm. Während bei mir schon sämtliche Alarmglocken leuteten, saßen die Männer weiterhin unbeeindruckt am Frühstückstisch. Keine Sekunde später flitzten drei aufgeregt schnaubende Antilopen an uns vorbei und wie jeder weiß, jagten die Raubkatzen besonders gerne in den Morgenstunden… FUCK! Wortlos schnappte ich mir den Junior und hechtete panisch in den Bus. Pascal checkte erst gar nicht, was hier gerade geschah und wirkte irgendwie orientierungslos. Ich fauchte ihn an „Komm SOFORT rein, irgendetwas jagt hier Antilopen!!!!“. Keine Sekunde später saß auch er angespannt im Bus und wir beobachteten das Spektakel, indem wir mit großen Augen aus dem Fenster glotzten. WIEDER rannten die Antilopen aufgescheucht und panisch an uns vorbei, doch keine Raubkatze war weit und breit zu sehen. Alleine der Gedanke daran, dass hier ein Löwe, ein Gepard, oder (mein größter Horror) ein Leopard sein Unwesen treiben könnte, machte mich irre. Ich hatte die Schnauze gestrichen voll vom Wildlife und wollte einfach nur noch weg von hier. Also zogen wir unser Müsli runter und verpissten uns so schnell wie möglich.
Wir peilten noch einmal die Makgadikgadi Salzpfannen an, entschieden uns aber für die östliche Route. Die Wetterbedingungen waren nicht so geil, es regnete immer mal wieder und an vielen Stellen stand das Wasser in großen Matschpfützen. Wir waren kurz vor den Salzpfannen, als Pascal in einem knapp 50m langen Matschabschnitt die Kontrolle über Heidi verlor und nach einer langen Rutschpartie zum Stehen kam. FUCK. Wir wussten beide, dass wir hier wohl nicht so schnell wieder rauskommen würden. Denn wie jeder weiß, ist Matsch der absolute Offroad Endgegener, direkt nach Treibsand. Pascal stieg aus und schaute sich das Unglück aus nächster Nähe an: Wir hatten uns ziemlich krass festgefahren, saßen mit dem gesamten Unterboden auf und dementsprechend drehten sich die Reifen permanent durch. Scheiße, scheiße, scheiße. Im wahrsten Sinne des Wortes, denn der Matsch war ein widerliches Gemisch aus Kuh- und Elefantenkacke.
Naja, das einzige, was wir erstmal tun konnten, war graben. Mit beiden Händen schaufelte Pascal die Kacke unter Heidi raus und positionierte ziemlich erfolglos die Sandbleche vor den Reifen. Alle Versuche scheiterten jedoch, während es mittlerweile monsunartig regnete. FUCK.
Pascal gab nicht auf. Er grub und grub und verletzte sich immer wieder an Steinen und Stöcken, die in der Kacke quasi unsichtbar waren. Er lag im Matsch, dachte im Traum nicht daran aufzugeben… Aber als es dunkel wurde und unsere Handys immernoch „KEIN NETZ“ anzeigten, wussten wir: hier werden wir wohl oder übel die Nacht verbringen…
Wir hatten Wasser- und Lebensmittelvorräte für ca. 6 Tage dabei, was uns schonmal etwas entspannter stimmte. Und trotzdem war es ein wahnsinnig beunruhigendes Gefühl, dass niemand so richtig wusste, wo wir waren… Ich fühlte mich wie Tom Hanks in Cast away – Verschollen. Nur ohne Wilson.
Wir klappen das Aufstelldach hoch, krochen ins Bett und versuchten, wenigstens ein Auge zuzumachen…
Die Nacht war kurz. Noch vor Sonnenaufgang begannen wir einen Masterplan zu schmieden. Wir entschieden, strategisch vorzugehen und überlegten, WIE wir WO am schnellsten Hilfe herbekommen könnten:
Schritt 1: Pascal kramte die Drohne raus und flog erstmal die Gegend um uns herum ab. Wir hofften auf Zivilisation, eine Hütte, einen Hirten… NICHTS! Im Umkreis von mehreren Kilometern war einfach NIEMAND um uns herum. Was für ein scheiß Gefühl.
Schritt 2: Wir befestigten mein Handy mit einer Schnur an der Drohne, ließen sie erneut steigen und hofften, dass die SMS mit unseren GPS Koordinaten und dem Hilferuf rausging. (Wir hatten die SMS an Daniel geschickt, der als einziger so wirklich wusste, wo wir waren und in Letlhakane auf uns wartete). ERFOLGLOS.
Schritt 3: Wir versuchten, einen Notruf abzusetzen. Auch daran scheiterten wir, weil wir die Notrufnummer für Botswana nicht abgespeichert hatten. Vielleicht der dümmste Fehler unseres Lebens…
Schritt 4: Wir machten das einzige, was uns noch übrig blieb: wir buddelten weiter… Es war so frustrierend.
Pan und ich sammelten kiloweise Steine und Stöcke und Pascal holte Tonnen an Kacke unter Heidi raus. 6 Stunden lang gaben wir alles, funktionierten, wie 3 Roboter mit dem einen Ziel vor Augen: wir wollten hier raus!!! Irgendwann kam Pascal die glorreiche Idee, die unseren Arsch rettete. Mit dem Stempelwagenheber pumpte er ein Rad nach dem anderen hoch. So konnten wir die Sandbleche direkt unter den Vorderreifen platzieren und den Matsch mit Steinen und Stöcken verdichten. Wir unterlegten stundenlang, bis wir entschieden einen ersten Versuch zu starten. Pascal saß nervös hinterm Steuer und Pan und ich beobachteten angespannt die Reifen. Pascal gab Gas… Heidi bewegte sich keinen cm. FUCK! Vielleicht versuchen wirs mal rückwärts? Fehlanzeige. Ohhhh Mann ey! Pascal brachte die Sandbleche nochmal in Position und wir starteten einen WEITEREN Versuch. Ich half zusätzlich mit, indem ich die 3t anschob, während Pan heulend am Rand stand und überhaupt nicht wusste, was hier abging. Bei jedem Wort, das ich Pascal nach vorne posaunte, heulte Pan en bisschen mehr. Es war filmreif. Pascal dappte auf’s Gas, ich drückte mit aller Kraft gegen die Karosse und irgendwie schafften wir es, Heidi in Gang zu setzen. 10m weit schaufelte sie sich durch das Kack-Gemisch und blieb wieder stecken. OH MEIN GOOOOOOTTT! Unser Plan schien aufzugehen. Voller Hoffnung drückten wir nochmal die Sandbleche unter die Reifen, ich schob die Karre an, Pascal gab Gas und zack, hatten wir es geschafft. Heidi hatte nach über 6h wieder festen Boden unter den Rädern. So muss sich eine Geburt anfühlen
Dicke Freuden- und Erleichterungstränen rollten meine Wangen runter. Pan hatte nie aufgehört zu weinen und Pascal heulte innerlich sicher auch. Wir hatten es wirklich geschafft. Wir mussten hier nicht verhungern. Diese Erleichterung war kaum in Worte zu fassen. Und gleichzeitig merkten wir in diesem Moment, was für ein krasses Team wir waren! Das war mit Abstand die hilfloseste und beunruhigendste Situation dieser Reise, aber wir konnten uns stets darauf verlassen, dass mindestens eine/r von uns der Fels war.
Wir setzten unsere Fahrt fort und wollten auf schnellstem Weg raus aus den Salzpfannen. Leider machten uns unpassierbare Schotterpisten das Leben schwer… Wir fanden immer eine Detour (einen Weg um das Hindernis herum), bis wir plötzlich vor einem Fluss standen. Ach scheiße. Durch die starken Regenfälle war die Hauptroute nach Letlhakane nicht mehr befahrbar. Also drehten wir um, nahmen die einzige alternative Route und hatten so Schiss, dass wir komplett zurück und NOCHMAL die Kacke des Schreckens passieren mussten. Aber nach 50km hatte Heidi endlich wieder geteerte Straßen unter den Schlappen. Was für ein irres Gefühl! Wir waren wieder save.
(Wie sich heraus stellte, hätten wir übrigens 22km laufen müssen, um Hilfe zu holen…)
Am Campingplatz angekommen, warteten bereits Karin und Daniel auf uns, die es kaum glauben konnten, dass wir da ohne fremde Hilfe „so schnell“ raus kamen… Hahaha! Sie versicherten uns außerdem, dass sie uns auf jedenfall gesucht hätten. Während wir Großen schon wieder über das Schlamassel scherzen konnten, verarbeitete Pan sein Trauma, indem er stundenlang Steine unter unser Auto und das unserer schwedischen Nachbarn warf… Was für ein Tag, Freunde!
So langsam neigte sich unsere Zeit in Botswana dem Ende zu. Abschließend verbrachten wir eine Nacht im Khama Rhino Sanctuary.
Das Khama Rhino Sanctuary ist ein Wildtierprojekt, das 1992 ins Leben gerufen wurde. Auf dem gesamten Kontinent leben nur noch 4500 Spitzmaulnashörner und gelten somit als vom Aussterben bedroht. Erst im März fielen im Okavangodelta 6 Nashörner Wilderern zum Opfer. Dem Horn werden heilende Kräfte nachgesagt (u.a. gegen Krebs) und das Kilo bringt den Wilderern bis zu 60.000€!!!
Im Khama Rhino Sanctuary leben die Nashörner auf 8585 Hektar zusammen mit vielen anderen Wildtieren in ihrem natürlichen Lebensraum. Ranger und Anti-Wilderer-Patroullien stellen sicher, dass KEINE Wilderei innerhalb des Schutzgebietes stattfindet.
Ein bedeutender Aspekt ist das Nashorn Zuchtprogramm, wodurch bereits 16 Nashörner in ihre wilden Lebensräume zurück geführt werden konnten.
Wir hatten keine großen Erwartungen an diese Pirschfahrt und wollten einfach nur ein paar Nashörner sehen. Umso überraschter waren wir über die Tiervielfalt, die der Park zu bieten hatte: wir begegneten Giraffen, Antilopen, Zebras, Warzenschweinen und sahen Strauße. Außerdem kreuzten bestimmt 20(!!!) Breitmaulnashörner unseren Weg! WOW! Doch das eigentliche Highlight war der Campingplatz, der selbstverständlich nicht eingezäunt war. Eine große Zebra Herde zog nur wenige Meter an uns vorüber und ein junges Kudu Männchen betrachtete uns neugierig aus nächster Nähe. WOW! Es war wahnsinnig beeindruckend, diesen wilden Tieren so nah zu sein. Na, wenn das mal kein atemberaubender Abschluss war, Botswana! DANKE für alles, du warst großartig.
Unsere Reise geht zurück nach Südafrika…