Unsere Reise ging weiter zur Spitzkoppe, die eigentlich gar nicht auf unserer Bucket List stand. Nachdem uns aber mehrere Reisende diesen Ort wärmstens ans Herz legten, entschieden wir uns für einen kurzen Abstecher dort hin.
INFO: Die Spitzkoppe ist ein 1728m hoher Inselberg im Westen Namibias. Der Berg wird auch als das „Matterhorn Namibias“ bezeichnet und überragt seine Umgebung um 700m!
Schon mehrere Kilometer vor dem Ziel sahen wir den mächtigen Berg, der mitten im Nirgendwo aus der sonst so flachen, eintönigen Umgebung hervor stach! Doch uns standen noch mehrere Kilometer mieseste Schotterpiste bevor, bis wir die Spitzkoppe in ihrer vollen Pracht bewundern konnten.
Die Gegend wirkte ziemlich ausgestorben, kleine Siedlungen voller Wellblechhütten bestimmten das Bild, Plastikfetzen wehten im Wind, es war vermüllt und ein einladendes Gefühl kam hier mal so gar nicht auf. An selbstgebauten Holzständen, die die besten Jahre bereits hinter sich hatten, verkauften die Einheimischen handgemachte Windspiele aus Federn und alten, bemalten Metalldosen. Kinder präsentierten den vorbeifahrenden Touristen die handgemachten Produkte und versuchten sie mit einem einladenden Winken zum Anhalten zu bringen. Außerdem zierten Springbock Schädel und Kudu Geweihe die Verkaufsstände. Am Meisten warben die Einheimischen jedoch mit den selbst gefundenen Mineralien und Edelsteinen, die wirklich wunderschön waren!
INFO: Rund um die Spitzkoppe kann man besonders gut Mineralien wie Rosenquarz, Topas und Turmaline finden.
Wir hielten an, kauften ein paar Steine und merkten schnell, dass die Menschen hier wirklich am Existenzminimum lebten. Die Dame, die uns die Mineralien verkaufte, war wenig an Geld interessiert, sondern bat uns vielmehr um Wasser. Einige Meter weiter bettelten uns Kinder um Essen an und zwei weitere Männer in schmutziger, durchlöcherter Kleidung fragten, ob wir was zum Anziehen für sie hätten. Puhhh, das Schicksal dieser Menschen nahm uns wirklich sehr mit. Wir gaben ihnen, was wir konnten. Verteilten Wasser, getrocknete Pfirsiche, Kleidung und Schuhe. Es war ein komisches Gefühl zu wissen, dass unsere Hilfe lediglich ein Tropfen auf den heißen Stein war, aber die tiefe Dankbarkeit der Einheimischen stimmte uns trotzdem ein bisschen versöhnlich.
Und obwohl die Menschen nichts hatten, erinnerten sie uns daran, für die Kriegsopfer in der Ukraine zu beten, so wie sie es hier in Namibia taten. Viele waren verunsichert darüber, was gerade in unserem SICHEREN Europa geschah und wollten Erklärungen von uns, wann dieser Krieg enden würde. Eine Frage, auf die wir zu gerne eine Antwort gewusst hätten…
(Und MEIN größtes Lebensproblem war, dass ich seit Wochen keine Hafermilch mehr getrunken hatte. Peinlicher geht’s ja kaum.)
Mit gemischten Gefühlen ging es für uns weiter zur Spitzkoppe und wir staunten nicht schlecht, als wir vor dem mächtigen Bergpanorama standen! WOW! Die Sonne ließ die abgerundeten, rötlichen Felsen in ihren schönsten Farben leuchten und es fühlte sich an, als wären wir in einer anderen Welt gelandet.
Direkt am Fuße des Berges fanden wir einen Platz, wo wir die Nacht verbrachten und rückblickend war das einer der schönsten Campingplätze unserer bisherigen Reise!
INFO: Hier wurde „10.000 BC“ gedreht!
Unsere Reise ging weiter zur Hafenstadt Walvis Bay, wo wir lediglich einen kurzen Stop bei den Flamingos einlegten und Mittagessen am Meer kochten.
Anschließend ging es direkt weiter nach Swakopmund. Die Küstenstadt wurde 1982 von deutschen Kolonisten gegründet und gilt bis heute als „deutscheste und weißeste Stadt Namibias“.
Obwohl dort nur noch knapp 5% Deutschsprachige lebten, war deren Einfluss auf das Stadtleben unverkennbar!
Wir schlenderten durch das schöne Städtchen, das uns mit den deutschen Buchhandlungen, den Bäckereien, den Straßennamen (z.b. Bismarckstraße) und den Restaurants doch stark an zuhause erinnerte. An jeder Ecke fand man kleine, einladende Cafés, Souvenirläden und Pascal verlor sich mal wieder in den Leder-Boutiquen, die etliche Antilopen Lederschuhe anboten.
Natürlich nutzten wir die Gunst der Stunde, um auch unseren edlen Gaumen ein Stückchen Heimat zu gönnen: Schnitzel mit Spätzle und Soß… Ein kulinarisches Träumchen mitten in Namibia!
Gestärkt ging es weiter zur
Skelettküste, die mit einem Alter von 1,5 Milliarden Jahren zu den ältesten Landschaften der Erde gehörte. Die Küste war bekannt für tief hängenden Nebel und unberechenbar starke Strömungen, die die Seefahrt dort sehr gefährlich machten. Entlang der Küste lagen hunderte Schiffswracks, die dem wilden Benguelastrom nicht gewachsen waren. Die Schiffbrüchigen, die sich mühsam an Land retten konnten, verdursteten anschließend in der extrem trockenen Küstenwüste… Noch heute wird die Küste von Seeleuten als „Tor zur Hölle“ bezeichnet.
INFO: Der Name „Skelettküste“ bezieht sich auf die Skelette
-der Schiffswracks
-der Gestrandeten
-der angespülten Wale
Auch ich fand, dass hier eine ziemlich bedrückende Stimmung herrschte. Der Nebel hing tief und war unser ständiger Begleiter. Links von uns das rauhe Meer – rechts die trockene Wüste. Die Landschaft wirkte karg, trist und leblos und wir konnten die Faszination der Einheimischen für diesen Ort nicht wirklich teilen…
Wir machten Halt, um ein Schiffswrack („Zeila“ lief am 25.08.2008 auf Grund) aus nächster Nähe zu betrachten. Bereits als wir die Türen öffneten, standen drei ziemlich ungepflegte Männer in zerissener Kleidung vor uns und versuchten, Edelsteine und Souvenirs zu verkaufen. Die Männer waren ziemlich penetrant, ritzten unsere Namen in Souvenirs, die wir nicht haben wollten und bettelten uns unfassbar aufdringlich an. Wir gaben ihnen Wasser und Obst, was aber scheinbar nicht ausreichend war… Sie brachten uns in eine so unangenehme Lage, dass wir letztendlich doch etwas zu ihrer Zufriedenheit kauften und mit einem ganz mulmigen Gefühl abzischten. Zur Krönung landeten wir nach einer endlos scheinenden Suche auf einem kuriosen Campingplatz mit einem ziemlich fragwürdigen Klientel… Neben uns hatten 15 Männer des „Karl’s Knobel Klubs“ kurz KKK (ob diese Abkürzung so klug gewählt war?!) ihre alljährige Mitgliederversammlung, die freudig begossen wurde. Das Bier floss in Massen und 15 rüstige Renter lagen sich bis spät in die Nacht laut rülpsend und furzend in den Armen… JACKPOT!
Am nächsten Morgen packten wir so schnell wir konnten zusammen und fuhren weiter nach Palmwag, wo uns ein kleines Paradies erwartete: mitten im Nirgendwo parkten wir Heidi unter den einzigen Palmen weit und breit und wurden direkt von einer Giraffenfamilie begrüßt! WOW! Der Platz war übersät mit den schönsten Mineralien und die Einheimischen waren sehr interessiert an uns…
Ich kam mit zwei jungen Frauen in’s Gespräch und sie erzählten, dass sie 14(!!!) Geschwister hatten. 14!!! Sie amüsierten sich köstlich über meine Fassungslosigkeit und staunten im Gegenzug darüber, wie alt ich war und erst ein Kind hatte… Hahaha!
Sie konnten es nicht glauben, dass in Deutschland homosexuelle Paare heiraten durften. Homosexualität war in Namibia zwar nicht mehr illegal, aber die Akzeptanz der Einheimischen gegenüber Geouteten war immernoch äußerst gering… (Was für ein Glück, dass Pan in einem Land voller Freiheit und Toleranz aufwachsen wird. Ist es nicht toll, dass unsere Kinder in dieser selbstverständlichen Vielfalt voller einzigartiger Individuen groß werden und einfach sein dürfen, wer sie sind??)
Die Girls erzählten mir zum Schluss, dass sie beide einen weißen Mann heiraten wollen. Auf meine plumpe Frage, ob sie denken, dass Weiße mehr Kohle haben, lächelten sie peinlich berührt und äußerten sich nicht dazu… Hahaha!
Wir genossen die Tage hier in vollen Zügen und sammelten unendlich viele Steine! Währenddessen nahmen wir ein Geräusch wahr, das wir so gar nicht zuordnen konnten. Es hörte sich an, wie eine anrollende, schnaubende Dampflok. Weit und breit war aber nichts zu sehen. Also saßen wir entspannt beim Abendessen als Pascal plötzlich aufsprang und auf eine Flutwelle deutete, die überall um uns herum anrollte. FUCK! Innerhalb weniger Minuten war alles um uns herum überschwemmt. Rechts von uns bildete sich ein brauner, 6m breiter Fluss, der alles mit sich riss, was seinen Weg kreuzte. Links bahnte sich das Wasser seinen Weg und flutete das gesamte Gelände. Pascal wusste natürlich direkt, was zu tun war und buddelte keine Sekunde später einen Graben um Heidi. Pan und ich bekamen den Auftrag Steine zu sammeln, um eine Schutzmauer rund um unser Zuhause zu bauen. Es war verrückt… Das Wasser stand uns zeitweise bis zu den Knien, aber dank unserer professionellen Präventionsmaßnahmen wog sich Heidi auf der einzigen, trockenen „Insel“ weit und breit in Sicherheit.
Wie sich herausstellte, muss es im Nachbarsdorf so heftig geregnet haben, dass die Wassermassen nicht im Boden versickerten, sondern wie nach dem Öffnen eines Damms ins Tal schossen.
Bereits am nächsten Morgen hatte sich das meiste Wasser verabschiedet und wir konnten unsere Fahrt zum 1540m hoch gelegenen Grootbergpass fortsetzen. Nach der kargen Skelettküste glich diese Strecke wirklich einem Wunder. Durch die Regenfälle der letzten Tage zogen sich kleine Bäche durch die wunderschön grüne, bergige Landschaft, die von etlichen Elefanten besiedelt wurde. Links und rechts türmten sich königlich rötliche Berge, die keine Spitzen hatten, sondern waagrecht abschlossen. Jede Gesteinsschicht war sichtbar und vielleicht war dieser Pass der Schönste, den wir je passiert hatten.
Wir landeten auf der Eldorado Campsite, die nur wenige Kilometer vom Etosha Nationalpark entfernt lag. Zu unserer Überraschung boten die Besitzer einen „Farm Drive“ an, wo wir Löwen, Geparden, Hyänen, Karakale, Nashörner und Leoparden aus nächster Nähe beobachten konnten. Das ließen wir uns nicht entgehen und begleiteten die Pfleger bei der morgendlichen Fütterung!
Die Raubkatzen stammten aus dem Etosha Nationalpark und wurden als „Problemtiere“ betitelt. Sie waren ständige Ausreißer und begannen Rinder, Ziegen und Pferde der Bauern zu erlegen. Die Farmer töteten daraufhin etliche Raubkatzen, um ihr eigenes Vieh zu schützen.
Namibias Regierung reagierte darauf, indem entsprechende (großzügige) Schutzgebiete für die Ausreißer errichtet wurden.
Wir saßen auf einem super unbequemen Anhänger, der von einem rostigen Traktor durch die Tiergehege gezogen wurde. Bereits nach wenigen Minuten schlichen drei Geparden um uns herum und fauchten sich aus Futterneid grantig an! Dass wir so nah an die Raubkatzen heran kommen würden, hätten wir nicht erwartet.
Die Hyänen begeisterten uns mit ihrer Größe und irgendwie waren sie noch en bisschen hässlicher, als erwartet.
Meterhoch sprangen die Karakale in die Luft, um das Fleisch noch im Flug zu fangen.
Die Leoparden versteckten sich dauerhaft im Gras, hatten leider so gar keinen Bock auf uns und sagten mit einem aggressiven Gebrüll „Fuck you!“. Im Nachhinein hätte es mich nicht gewundert, wenn ein haariger Mittelfinger mit Leo Print aus dem hohen Gras in unsere Richtung gezeigt hätte. Hahaha. Haben Leoparden Mittelfinger?!
Die Nashörner hatten das größte Gehege und wurden hier untergebracht, weil Wilderer noch immer eine zu große Gefahr für die Tiere darstellten.
Und zum Schluss wartete ein riesen Highlight auf uns! Zwei Löwen stolzierten bereits nervös auf und ab, als sie unser heißes Gefährt anrollen sahen. Sie fielen über das Fleisch her, als gäbe es kein Morgen mehr (so stelle ich mir Pascal vor, wenn er das erste Mal wieder Wurst aus ner deutschen Metzgerei bekommt).
Während wir fasziniert die Raubtierfütterung beobachteten, mussten wir den Löwen scheinbar ein bisschen zu nahe gekommen sein… Denn plötzlich brüllten uns beide Männchen markerschütternd an und zeigten uns ALLE Zähne. Wie die zwei größten Pussys auf Erden schrecken wir schreiend zurück, während uns die Pfleger (und Pan) tiefenentspannt belächelten. Hahaha, PEINLICH.
INFO: Löwen Gebrüll ist über 8km weit zu hören. Die Tiere markieren damit ihr Revier.
Dieser Farm Drive war wirklich ein besonderes Erlebnis, das wir nie vergessen werden.
Meine Laune war unterirdisch schlecht, als wir früh morgens zum Etosha Nationalpark aufbrachen. Kein Tier stimmte mich glücklich, nichts und niemand konnte mir ein Lächeln entlocken und es war so ein Tag, an dem ich mich selbst kaum ausstehen konnte… HORROR für alle Menschen, die das ertragen mussten: Pascal bekam auf jede Frage eine trotzige Antwort und für Pan hatte ich gar keine Geduld.
Wir sahen Schakale, Gnus, Giraffen, Elefanten, die Landschaft war total weitläufig und ich saß wie ein beleidigtes Kind mit verschränkten Armen auf der Rückbank und schmollte. Nach ein paar Stunden war auch Pascals Maß voll und er fuhr so schnell er konnte raus aus dem Park, um der ganzen Misere ein Ende zu setzen. Was da los war?!? Ich weiß es selbst nicht… Fakt ist, dass diese Tage unendlich Kräfte zehrend sind und allen das Leben unnötig schwer machen. Vielleicht denke ich ja beim nächsten scheiß Tag an meine schlauen Worte… Eh nicht.
Unsere Reise ging weiter nach Rundu. Der Weg dorthin war einzigartig schön: nah am Straßenrand standen etliche, runde Lehmhütten mit spitz zulaufenden Reetdächern. Oft standen mehrere Hütten nebeneinander und schienen hinter den schönen Holzzäunen eine Familien Einheit zu bilden. Davor verkauften die Einheimischen tolle Holz Kunstwerke, die sich stark von den Standard Souvenirs anhoben.
Die ganze Umgebung schien uriger zu werden. Die Menschen waren sehr geschäftig, Frauen balancieten Lasten auf ihren Köpfen, während ihre Babies auf ihren Rücken hingen und Maiskolben schnabbulierten. Männer wachten über Kuh- und Ziegenherden und die Arbeitslosigkeit, wie sie bisher präsent war, schien hier nicht vorhanden zu sein.
In Rundu bestätigte sich der erste Eindruck: die Einheimischen waren zackig unterwegs, bauten ihre Obst-und Gemüsestände auf, transportierten Lebensmittel mit Sackkarren durch die Straßen und die typische, afrikanische Gemütlichkeit war verschwunden. Wir sahen Kinder in brennenden Müllbergen spielen, ließen Heidi für umgerechnet 2,55€ waschen und waren gleichzeitig die Hauptattraktion der Stadt. Die einzigen Weißen weit und breit. Ein Mann sah mich mit großen Augen an und sagte „Jeeeeesus!“ als er meine Tattoos sah! Wir lachten uns schlapp und irgendwie fühlte es sich gut an, mittendrin zu sein. Schön zu sehen, wieviel Vertrauen wir mittlerweile gefasst hatten und all die Horrorgeschichten hinter uns lassen konnten.
DANKE Namibia für 3 Wochen voller unvergesslicher Momente!
Unsere Reise geht weiter nach Zambia…
Bin wie immer gefesselt, wie toll du schreibst 🙋♀️LG Jeannette
Ihr lieben… Gefesselt und total beeindruckend… Bilder traumhaft🥰….vor allem die Tiere… Ich denke sie so zu sehen ist noch mal ganz anders als im Zoo…
Es ist einfach schön mit euch auf Reise zu gehen 😅… Auch wenn ich zu Hause im Wohnzimmer auf der Couch sitze 🤭🤫… 😂
… Ach Lisa… Solche Tage muss es auch mal geben… Ich denke die macht jeder mal mit… Ich stelle mir das grad bildlich vor wie du schmollend da saßt… 🤣🤣
Ich wünsche euch weiterhin eine beeindruckende Reise… Passt auf euch auf und fühlt euch ganz fest gedrückt 🤗❤️!!
Lg Gedda