Norwegen August 2021 – Teil 3

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Nach dem eindrucksvollen Vormittag in Bergen fuhren wir für eine Nacht auf einen nahe gelegenen Campingplatz, um dort einige To-Dos abzuhaken. Das bedeutete: alle 3 gingen ausgiebig duschen, Wäsche wurde gewaschen, das WLAN wurde ausgenutzt, um Filme und Podcastfolgen herunterzuladen, Wasser wurde aufgefüllt, das Klo geleert und und und… Da kann man schnell mal den Überblick verlieren. So muss es auch Pascal ergangen sein, denn während ich mit Pan ein paar Meter entfernt an einer kleinen Brücke spielte, sah ich im Augenwinkel einen unserer Stühle quer über den Platz fliegen. Upsi, da hatte wohl jemand kurz miese Laune. Als wäre nichts gewesen, kam er keine Minute später zu uns rüber und verlor nie ein Wort über den Vorfall. Manchmal ist es besser, Dinge NICHT zu thematisieren, oder?!
Klar war, dass wir was cooles unternehmen mussten, damit hier wieder Harmonie im Paradies herrschte! Also ab in’s Spaßbad! Manchmal habe ich das Gefühl, dass Pascal so etwas wie einen „Kind Schalter“ im Kopf hat, der in gewissen Momenten auf ON schaltet und zack, habe ich auf einmal 2 Kinder. Genauso war es im Hallenbad. Vor Aufregung konnte er kaum entspannen. Erst als er ALLE Rutschen abgehakt hatte, kehrte Ruhe und Zufriedenheit ein. Also saß ich da, das kleine Kind schlief in meinen Armen und das große Kind sah ich immer mal wieder nervös und glücklich winkend an mir durchflitzen…
Dieser Tapetenwechsel tat uns 3 richtig gut und wir entschieden, uns alle paar Wochen einen Tag in ner Therme oder einem Hallenbad zu gönnen! Denn was oft aussieht, wie Dauerurlaub, ist letztendlich doch unser Alltag!
Noch am selben Abend fuhren wir nach Hoyanger, wo wir einen Schlafplatz auf 1000m Höhe ergatterten. Hier leben stolze 4 Einwohner auf den km²!!! Sogar ich, als eher mäßiges Mathegenie weiß, dass das echt wenige sind. Kein Wunder, dass weit und breit um uns herum weder Häuser, noch Zivilisation waren. Geteerte Straßen? Pah, hier gab’s lediglich Schotterpiste. Zu wissen, dass keine Menschenseele um mich herum war, löste ein zwiespältiges Gefühl in mir aus. Einerseits schnupperte ich in diesem Moment den Duft purer Freiheit, andererseits klopften dann auch mal kurz ein paar Ängste an: Was, wenn jemandem von uns hier was passiert und wir schnell Hilfe benötigen? Vor solchen Situationen habe ich größten Respekt! Und natürlich könnte ich mir den Kopf darüber zerbrechen, WAS, WEM, WIE, WO passieren könnte… Aber ey, letztendlich gibt es immer für alles eine Lösung. Also Schluss mit den Zweifeln und negativen Gedanken, denn wir sind hier an einem wundervollen Ort gelandet! Wir standen direkt an einem Stausee, dessen eiskaltes Wasser so klar war, dass wir es sogar getrunken haben.
Die Abendsonne grillte meine helle, mitteleuropäische Haut (Pascal ist schon wieder gebräunt wie ein rassiger Spanier) und Pascal kochte mal wieder über dem Feuer. Hier war es perfekt! Da wir alle ziemlich erschöpft vom Planschen waren, krochen wir früh in’s Nest.



Nachts weckte mich urplötzlich ein Horror-Gedanke: Kacke, wir stehen an einem STAUSEE! Da könnte das Wasser eventuell steigen. Also wälzte ich mich ein paar Mal hin und her, um schnell wieder friedlich einzuschlafen (denn so schnell hält mich nichts wach). Hätte ich da bereits gewusst, dass Pascal mit dem selben Gedanken wach lag, wäre ich sicher weniger entspannt gewesen…
Der nächste Morgen begann also mit den Worten: „Lisa, ich glaube wir müssen umziehen, wir haben nur 8 Grad und das Wasser steigt!“. Kennst Du das beklemmende Gefühl, wenn sich in Dir drin alles zusammenzieht? Ja? Genauso ging’s mir in diesem Augenblick.
Das Wasser war noch lange nicht bedrohlich nahe am Bus, aber ich sah Heidi natürlich schon sinken, malte mir aus, wie wir ihr mit weißen Stofftaschentüchern, melancholischer musikalischer Untermalung und glasigen Augen hinterher winken würden…
Um jedoch sicher zu gehen, dass wir mit unserer Vermutung richtig lagen, markierten wir den Wasserstand vor dem Frühstück. Und siehe da, das Wasser stieg tatsächlich ziemlich flott. Nach ner Stunde hatte sich der Stausee schon mehr als 10cm näher am Heidi ran geschlichen. Hinzu kam die eisige Kälte. Zwei gute Gründe, um weiter zu ziehen.
Unsere Reise geht weiter nach Lom. Um dort hin zu kommen, nahmen wir die Autofähre von Ortnevik nach Nordeide. Naja, wir hatten quasi keine andere Wahl, denn es gab keine alternative Straße. Unfassbar, dass manche Ortschaften stets auf die Fähren angewiesen sind, um zum Beispiel Großeinkäufe zu erledigen. Wir erfuhren, dass es hier sogar Dörfer ohne Straßen gibt, wo die Einwohner wirklich alles zu Fuß abklappern.
Das Glück war an diesem Tag unser ständiger Begleiter, denn heyyy, wir mussten nur 3h auf die nächste Fähre warten. Easy. Das Schöne am Warten ist, dass man Zeit geschenkt bekommt, die man sich sonst nicht genommen hätte. Und wenn dann auch noch ein nettes Gespräch mit Einheimischen zustande kommt, hat sich der Zwischenstop allemal gelohnt! Wir lernten Tore am Fährenhafen kennen, der uns viele, gute Reise Tipps und eine Lebensweisheit mit auf den Weg gab, die uns seither stets begleitet: „The shortest way is not always the best way!“
Er erzählte uns auch, dass viele Norweger deutsch sprechen können, da sie es in der Schule lernen und sagte, dass wir auf dem Weg zu den Lofoten unbedingt Atlanterhavsveien (die Atlantikstraße) sehen müssen! Mit den Locals im Kontakt zu sein, ist so wertvoll! Auf diese Weise bekommen wir Einblicke, die einem weder ne Infotafel, noch en Touri-Flyer geben kann.
Jetzt aber genug gebabbelt und ab auf die Fähre! Als wir in Nordeide am Hafen ankamen, waren wir schon insgesamt 5h unterwegs und die Luft war bei uns allen ziemlich raus. An solchen Tagen bin ich froh, dass ich nicht in die Zukunft blicken kann, denn sonst hätte ich gewusst, dass wir noch 4h fahren werden. HORROR! Hinzu kam, dass Pan absolut keinen Bock mehr hatte, im Bus zu sitzen… Mit Bilderbüchern, Apfelschnitz und allen pädagogischen Maßnahmen, die ich mühsam aus meiner ziemlich verstaubten Erzieherinnen Schublade rauskramte, schafften wir es dann doch irgendwie!
Die Strecke war wirklich gigantisch und eine der schönsten Routen, die wir bisher gefahren sind. Sie führt am Sognefjord entlang, dem längsten und tiefsten Fjord Europas! Dazu hatten wir noch richtiges Kaiserwetter mit Sonnenschein, was Norwegens Schönheit dann nochmal besonders hervorhebte! Während unserer Reise hat mal ein junger Mann zu uns gesagt: “Wer Norwegen nur bei Regenwetter gesehen hat, kennt Norwegen nicht!“ Und da ist wirklich was Wahres dran!
Wir fuhren an den schönsten Orten vorbei, mit türkisfarbenem Wasser, die Sonne knallte. Wir fanden einen Schlafplatz nach dem anderen und wären am Liebsten für immer hier geblieben. Und was taten wir??? Anstatt den Motor abzustellen und das Dach hochzuklappen, folgten wir stumpf dem Navi. Wiesooooooo? Blöder geht’s wirklich NICHT (jetzt, wo ich diese Zeilen schreibe, ärgere ich mich schon wieder)! Aber unser Denkzettel ließ nicht lange auf sich warten: Mit jedem gefahrenen Kilometer wurde das Wetter schlechter, der Himmel trüber und unsere drei Geduldsfäden kürzer. Der angepeilte Schlafplatz rückte näher, die Außentemperatur sank auf unter 8 Grad, um uns herum Schnee… Das kann doch nicht wahr sein. Morgens flüchteten wir noch vor der Kälte, um dann 8h später in nem Skigebiet zu landen?!? In dem Moment hätte ich mal gerne den Campingstuhl quer über den Platz geworfen…
Da wir heute leider keine Ski dabei hatten, fuhren wir weiter und weiter und weiter, bis wir in Lom einen Platz am Fluss mit vielen anderen Campern fanden. Zu guter Letzt versohlten uns die Schnaken hier so richtig den Arsch. DANKE Schicksal. Indirekte Botschaft ist angekommen.



Aber wo wir schonmal en Schlafplatz in Stadtnähe hatten, nutzten wir das auch aus. Also besichtigten wir die Stabkirche von Lom, die knapp 900 Jahre alt, und mit aufwändigen Holzschnitzereien verziert war. Wir sahen die Zipliner über den mächtigen Prestfossen Wasserfall flitzen und schlenderten durch das Städtchen, mit seinen vielen, einladenden Shops. Besonders bewundernswert fand ich den Fluss Bovra, mit seinem kalkhaltigen, hellblauen Wasser!


Aber um ehrlich zu sein, nervten mich die vielen Touristen schon wieder. An manchen Stellen mussten wir uns in Zeitlupe, watschelnd fortbegwegen (wie auf dem Martini Markt in Gengenbach). An diesem Punkt wusste ich: es ist Zeit, den Rückweg zu unseren blutsaugenden Insektenfreunden anzutreten. Aber auch unser Schlafplatz stimmte uns nicht so wirklich glücklich. Mein Gehirn war nach den vielen Eindrücken und Reizen offline und Pascal war nur damit beschäftigt, Rauchbomben aus Kaffee, Blättern, und Zweigen zu basteln…



Ach, scheiß drauf: unsere Reise geht weiter nach Frisvoll!

Dieser Beitrag hat 5 Kommentare

  1. Anonymous

    Nee, Oma hat sicher noch dein Monogramm eingestickt🤣🤗🧡

  2. Anonymous

    Ach, da bin ich jetzt doch einigermaßen beruhigt😉…ihr habt wenigstens an die weißen Stofftaschentücher für filmreife Abschiede gedacht😂❣
    Und bist du sicher, dass nicht ein kleiner Tornado über eben diese Stelle fegte, an der der Campingstuhl stand🤔? Manchmal geschehen Dinge anders als sie augenscheinlich wirken😁. Danke für den amüsanten und – wie immer – kurzweiligen und lesenswerten Bericht… weiter so👏!
    Wir umarmen euch, die aus der Hub🧡

    1. heidi-finition

      Denkst du wirklich, Oma hätte mich ohne Stofftaschentücher losziehen lassen? 😉

  3. Dad

    So jemanden kenne ich auch, ab und zu muss die Luft mal abgelassen werden.

    1. Anonymous

      Aha.. Und schon wissen wir, von wem er dieses „Fehlverhalten“ hat. 😉

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