Am 10.01.2022 flogen wir von Dubai nach Johannesburg. Pascal hatte (wie sollte es auch anders sein) schon bei der Buchung mitgedacht und Sitze direkt hinter der Business Class mit mehr Beinfreiheit reserviert. So konnte Pan die meiste Zeit im Fußraum vor uns spielen und wir konnten genüsslich Kaffee schlürfen.
Je näher die Landung rückte, desto nervöser wurde ich. Besonders in den Tagen zuvor hatten wir so viele Horrorgeschichten in Bezug auf Südafrika gehört: entführte Kinder, Erpressungen, ein Mord am Tafelberg, korrupte Polizisten…
Mein Herz klopfte, ich fühlte mich total unsicher und am liebsten hätte ich alle Wertsachen wie ein Drogenschmuggler in meinem Magen, oder anderen Organen transportiert…
Und dann war es soweit: wir latschten scheu und ängstlich aus dem Flugzeug, ich klammerte mich paranoid an unseren Rucksack und im Nachhinein wundere ich mich, dass ich niemanden wie ein wild gewordenes Tier angefaucht habe.
Und wisst ihr was? Alles war total entspannt und easy. Die afrikanische Leichtigkeit war allgegenwärtig: der Herr an der Passkontrolle lag schlafend in seinem Häuschen, die Covid-Kontrolleurin ermahnte uns mal en bisschen entspannt zu machen – „take your time and calm down“ und die Reinigungskraft der Toiletten begrüßte mich mit einem: „Welcome to my office, Rastasister!“. Die Angestellten lachten, tanzten und strahlten unendlich viel Selbstbewusstsein und Stärke aus, WOW! Die anfängliche Anspannung legte sich mehr und mehr und wir merkten zum wiederholten Male, wie wichtig es war, ohne Vorurteile zu reisen…
Kaum hatte sich die erste Aufregung gelegt, klopfte auch schon die nächste an: Die Kraxe war WIEDER weg. Scheiße, Pascal war sofort auf 180 und war kurz davor so richtig rumzuschreien. WIEDER schlenderten wir zum Gepäck Service und WIEDER wurde erstmal der Flughafen abgesucht. Pascal half fluchend mit und siehe da: er fand sie irgendwo auf nem Stapel verloren gegangener Gepäckstücke.
Ich glaube, wenn uns dieses Prozedere noch ein drittes Mal erwartet, rappelt’s gewaltig im Karton.
Ein Taxifahrer wartete bereits am Flughafen auf uns und brachte uns zur Unterkunft. Wir hatten einen Bungalow gemietet, mit Blick auf Mauern, die zusätzlich mit Stacheldraht und Elektrozäunen gesichert waren. Stahlgitter zierten die Fenster und über das magische Metalleingangstor, hatte lediglich die Hausbesitzerin die Macht. Drei Hunde und eine Sicherheitsfirma bewachten das Haus zusätzlich. YEAH, da fühlte man sich doch wie zuhause…
INFO: mit dem Ende der Apartheid in den 90er Jahren begann das Abschotten der Reichen und der „Mittelstand“-Südafrikaner. Tatsächlich gingen Überfälle und Einbrüche dadurch deutlich zurück. Die Lebensqualität dementsprechend aber auch. Das Leben vieler Menschen findet lediglich hinter videoüberwachten und mit Stacheldraht gesicherten Mauern statt.
Die Besitzerin war eine richtige Mama mit viel Vorbau und ausladendem Hinterteil. Sie trug Pantoffeln, ein buntes Kopftuch und ein traditionell, afrikanisches Kleid. Als sie Pan mit ihrer tiefen Stimme überschwänglich begrüßte, brach dieser direkt in Tränen aus. Hahaha!
Auch sie machte uns auf die hohe Kriminalitätsrate aufmerksam und sagte, dass wir IMMER auf folgende Punkte achten mussten:
- verlasst niemals nachts das Haus
- tragt keinen Goldschmuck
- lasst die Smartphones im Rucksack
- seid aufmerksam und haltet stets die Augen offen
- meidet die Townships
- im Auto immer Fenster schließen und Türen verriegeln
Ich kann mich gut daran erinnern, wie mich dieser neue Verhaltenskodex komplett überforderte und verunsicherte.
Natürlich wussten wir, dass Südafrika eine der höchsten Kriminalitätsraten weltweit hatte (56 Morde, 124 Sexualdelikte und 60 Einbrüche TÄGLICH). Wir wussten, dass wir vorsichtig sein mussten. Wir wussten, dass wir besonders als Touris leichte Beute waren. Aber dass wir uns nicht frei bewegen konnten, wollte nicht in meinen Kopf gehen…
Und es kam, wie es kommen musste: wir beide wurden unendlich misstrauisch. WIEDER war ich an dem Punkt, wo ich mir wünschte, dass der Rucksack mit den Wertsachen mein siamesischer Zwilling war. Rückblickend wundere ich mich, dass ich ihn nicht vorne auf dem Bauch getragen habe, wie die Ledersandalen-Touris, die selbst im behüteten Bayern so rumlatschen. Dann bleibt zuhause, ihr Dampfnudeln!
Jede/r war in meinen Augen kriminell und ich war allzeit bereit für meinen besten Verteidigungsmove. IRRE! Ihr könnt euch nicht vorstellen, wie anstrengend es war, Angst als ständigen Begleiter im Gepäck zu haben…
Unsere Reise ging weiter nach Durban, der vorerst letzte Flug für die kommenden Monate, jippie!
Am Flughafen wartete bereits Fred auf uns – unser Zollagent, der uns dabei half, Heidi am Hafen aus dem Container zu holen. Wir waren bereits seit Wochen mit ihm im Kontakt und er war unendlich hilfsbereit! Fred und seine Frau Bev zeigten uns die Gegend, luden uns zu einem Rugby Spiel der Sharks ein und halfen uns, wo sie nur konnten. Sie waren uns besonders in dieser aufregenden Anfangszeit in Afrika eine große Unterstützung und wir sind unendlich dankbar, die beiden kennengelernt zu haben.
INFO: Falls auch Du mit dem Gedanken spielst, Deinen Van nach Afrika verschiffen zu wollen, dann melde Dich bei Fred! Hier sind seine Kontaktdaten:
Fred Nathras, Durban, South Africa
+27 72 639 5534
Unsere Unterkunft in Durban war der Wahnsinn. Für 17€ die Nacht, hatten wir ein Zimmer in einer Villa mit riesigem Pool gemietet. Es gab 4 weitere Zimmer im Haus, die aber meistens nur an den Wochenenden belegt waren. Also lebten wir dort überwiegend alleine mit dem Haushälter Sinico. Er war echt ne gute Seele mit dem Herz am richtigen Fleck. Pascal saß abends oft mit ihm zusammen, gab ein Bierchen aus und sie redeten über Fußball und die Welt. Sinico erzählte, dass er 24/7 im Haus sein musste und nur 2 Wochen Urlaub im Jahr hatte. Für seine Arbeit im Haus bekam er 200€ monatlich (das Durchschnittsgehalt in Südafrika lag bei 1300€). Er berichtete, dass das meiste Geld in die Schulbildung seiner Tochter floss, die er im Gegenzug nie sehen konnte. UNVORSTELLBAR!
Je mehr Tage wir dort verbrachten, desto tiefer wurde die Freundschaft zu Sinico. Wir kochten mittags für ihn mit, tranken Kaffee zusammen und Pascal zeigte ihm, wie man ein ganzes Haus in 2 Tagen repariert. Sinico versuchte Pascal erfolglos seine Sprache „Xhosa“ beizubringen und manchmal fischten wir die Blätter aus dem Pool, damit er seine Daily Soap nicht verpasste. Immer mal wieder sah ich Pan, wie er Snicos Wischmopp stibizte, wegrannte, und Sinico hinterher lief, um sein Zeug wieder einzusammeln. Die beiden waren ein gutes Team und haben sowas wie ne Freundschaft geschlossen.
Unser erster Ausflug stand an! Total aufregend, denn bisher kannten wir lediglich hohe Mauern, Elektrozäune und Stacheldraht, YEAH!
Wir fuhren zum Leopard Rock. Der Weg dorthin führte erstmal durch Durbans abgefuckteste Viertel: Elend, Müll, Suchtkranke und Obdachlose soweit das Auge reichte. Es war krass. Verwahrloste, bis auf die Knochen abgemagerte Menschen lagen auf dreckigen Stofffetzen. Ungepflegte Frauen wuschen sich unter Brücken, das weiße in den Augen war rot unterlaufen. Einige hatten sich Miniaturhütten aus Karton, Wellblech und anderen, ausrangierten Fundstücken gebaut. Zerrupfte Folien dienten als Sonnenschutz und darunter lagen verlorene Seelen, die Selbstgespräche führten…
Einerseits wollte ich allen helfen und andererseits verstand ich die Parolen jetzt, die uns dauerhaft gepredigt wurden.
Doch Durban zeigte sich auch von seiner idyllischen Seite: je weiter wir uns vom Stadtkern entfernten, desto grüner wurde es. Die Gegend war geprägt von Zuckerrohr Plantagen und auch die schöne Küste konnte sich sehen lassen. Kaum vorstellbar, dass einige Kilometer zuvor noch das krasse Kontrastprogramm herrschte.
Am Leopard Rock angekommen, staunten wir zum ersten Mal über Südafrikas unfassbar schöne Natur: Der spitze Felsen ragte waagrecht aus dem Gestein hervor, sodass man die Beine baumeln lassen konnte. Darunter lag die Oribi Schlucht, durch die sich der braune Umzimkulu Fluss schlängelte! GIGANTISCH. Mit diesem fabelhaften Ausblick schmeckte das erste, frisch gezapfte „Hansa“ noch besser. Während wir genüsslich unser Bierchen schlürften, fielen plötzlich Schüsse. Ich konnte das Geräusch gar nicht zuordnen und dachte, dass in der Restaurantküche gleich 2x hintereinander ein Blech auf den Boden gefallen war. Naiver geht’s ja fast gar nicht. Pascal wusste direkt, was los war und reagierte entsprechend nervöser… Eine Black Mamba hatte sich gefährlich nahe an die Besucher des Restaurants angeschlichen und wurde kurzerhand erschossen. OKAY, cool. So wurden also Probleme in Afrika gelöst. Halleluja, daran muss ich mich erstmal gewöhnen. Die eine Hälfte der noch zuckenden, zerfetzten Giftschlange durften wir dann immerhin begutachten. Nach dieser Begegnung beschlossen wir, unsere geplante Wanderung zu verschieben.
INFO: Mit bis zu 4,5m ist die Black Mamba die längste Giftschlange Afrikas. Ihr Biss ist für den Menschen sehr giftig und kann innerhalb von 20min tödlich enden.
Wir fuhren weiter zum Lake Eland Game Reserve, wo die erste „Selbstfahrer Safari“ auf uns wartete. Schotterpisten führten durch das grüne Reservat, und auf den Wiesen links und rechts von uns grasten Gnus, Zebras, Impalas und Eland-Antilopen. Laut Broschüre sollen dort auch Schakale beheimatet sein, die aber keinen Bock hatten, sich zu präsentieren.
Hinter jeder Kurve warteten Parkplätze, die Ausgangspunkte für kleine Wanderungen waren. Eine 80m lange Hängebrücke führte über die Oribi Schlucht, die kilometerweit in’s Land ragte. Die Landschaft war unendlich weit, ein Mix aus rötlichen Felsen, einem wilden Fluss und grün soweit das Auge reichte. In meinen Vorstellungen war ganz Afrika übrigens eine Wüste und vielleicht überraschte mich die Umgebung deshalb so sehr.
Auch das Paradise Valley in Pinetown wollten wir uns nicht entgehen lassen. Auf Google Maps sah dieser riesige grüne Punkt mitten in Durban ziemlich einladend aus. Und so war es auch: das Paradise Valley war wie ein tropischer Regenwald mitten in der Großstadt! Überdimensionale Palmenblätter ragten in die schmalen Trampelpfade, wilde Bananen hingen an den Bäumen, den Himmel sah man vor lauter Grün nicht mehr und das Grillengezirpe war so laut, dass es in den Ohren weh tat. Der klare Umbilo River zog sich durch das idyllische Tal und wir rätselten über die vielen, festlich gekleideten Menschen, die uns teilweise total erschöpft entgegen kamen. Am großen Wasserfall wartete des Rätsels Lösung: für Baptisten war der Fluss ein heiliger Ort, um Zeremonien aller Art abzuhalten. Wir konnten beobachten, wie zwei Priester ziemlich unsanft an einer Frau herumzerrten und auf ihren Rücken schlugen, während sie schrie und zusätzlich vom Wasserfall begossen wurde. Ein junger Mann lag regungslos am Wasserrand, nachdem er in einen Trancezustand versetzt wurde und eine Gruppe von mehreren Baptisten stand Hand in Hand im Kreis im Wasser und jaulte. Die Zeremonien waren beeindruckend und irgendwie gruselig zugleich…
Und dann war er da, der Tag X! Am 24.01.2022 holten wir Heidi am Hafen von Durban mit einer Woche Verspätung aus dem Container. Fred war uns eine so große Hilfe und räumte jedes Hindernis aus dem Weg – unter Anderem die falsche Blombennummer, die nicht mit der Blombe am Container übereinstimmte…
Ihr könnt euch nicht vorstellen, wie sich dieses Wiedersehen anfühlte. Pascal bekam das Grinsen nicht mehr aus dem Gesicht, Pan war ganz aufgeregt und schien sich an vieles im Bus zu erinnern und mich überrollten die Emotionen und ich vergoss pure Freudentränen. Wir hatten es wirklich geschafft! Wir haben Heidi ERFOLGREICH nach Afrika verschifft um werden diesen für uns ganz neuen Kontinent in den kommenden 4 Monaten erkunden. Was für ein irres Gefühl.
Unsere Reise durch Südafrika beginnt JETZT!
Oh ihr lieben… Wieder mal richtig hinreißend… Es ist schon schlimm zu lesen wie manche Menschen leben 😕!! Da können wir echt froh sein das es uns in dieser Hinsicht besser geht!!
…. Selbst ich habe pipi in den Augen gehabt als ihr HEIDI wieder in Empfang genommen habt 🥺🤦♀️!!
Da siehst mal wie sehr ich mit euch Reise 😅😂!!
Passt weiterhin auf euch auf 😘
Lg Danielle /Gedda
Hallo Danielle!
Ja, auch für mich war es oft schwer zu sehen, wie viele Menschen in Armut und Elend leben.
Und endlich wieder mit Heidi unterwegs zu sein, ist unfassbar schön!
Wir passen auf uns auf!
Liebe Grüße nach Hause 🙂