Bulgarien – Oktober 2021

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Am 5.10.2021 kamen wir in Bulgarien an. Beim Grenzübertritt wollte der Beamte lediglich unsere Reisepässe sehen, bevor er uns eine gute Reise wünschte.
INFO: Auf Nationalstraßen wurde eine E-Vignette benötigt. Diese konnte online gebucht werden. Auch für die Donau Überquerung fielen Gebühren von ca. 6€ an.

Bulgariens Zerfall war an jeder Straßenecke zu sehen und prägte dauerhaft das Erscheinungsbild des Landes. Die Armut machte uns oft nachdenklich, wie unser Leben wohl verlaufen wäre, wenn WIR in einem wirtschaftlich nicht so starken Land wie Deutschland aufgewachsen wären…
Ähnlich, wie in Rumänien, musste ich auch hier oft an das gepflegte Skandinavien denken, wo die Rasenroboter dauerhaft ihre Runden drehten… Bulgarien hingegen war wild, die Gebäude erzählten Geschichten und der Fokus der Menschen lag keinesfalls auf dem penibel gepflegten Vorgärtchen: ein Plausch mit dem Nachbar oder die Weiterverarbeitung des Geernteten hatte viel mehr Priorität! Niemanden bockte das Unkraut, oder das bisschen Chaos vorm Haus… Jeder Handgriff steckte voller Gemütlichkeit und hier nahmen sich die Leute wirklich Zeit, um einfach dazusitzen und nichts zu tun. Ich hatte außerdem das Gefühl, dass die Menschen wenig hatten, aber das, was sie besaßen, waren sie bereit zu teilen. Und das ist am Ende des Tages doch tausend Mal mehr wert, als Platz 1 beim Rasen Beauty Contest zu machen.

Unseren ersten Halt legten wir in Belogradchik auf einem Campingplatz ein. Die alte Besitzerin roch zwar ziemlich unangenehm, war aber super nett. Dass ich allerdings an einem Tag gleich ZWEI Maschinen Wäsche waschen musste, versteht sie vielleicht bis heute nicht. Kopfschüttelnd und mit hochgezogenen Augenbrauen gab sie mir das Gefühl, dass solch unangebrachte Sonderwünsche nur von einem deutschen Touri kommen konnten.
Ich glaube, sie wusch nicht so oft…

Am darauffolgenden Tag wanderten wir direkt zu den Belogradchik Felsen. WOW! So musste sich Amerika anfühlen… Um uns herum eröffnete sich ein Panorama aus abgerundeten, rötlichen Felsformationen mit über 200 kleinen und großen „Türmen“ aus Gestein. Zwischendrin standen unzählig viele Eichen, deren Blätter sich bereits gelb und braun gefärbt hatten. Wir wanderten zwischen den mächtigen Felsen, durch bunte Wälder und an der weißen Burg vorbei, die zudem Namensgeberin des Ortes war. Nichtmal im Traum hätte ich so eine beeindruckende Landschaft mit Bulgarien in Verbindung gebracht! Der Rundweg endete in der beschaulichen Stadt und natürlich nutzten wir die Gunst der Stunde, um die bulgarische Küche zu testen! (Essen gehen ist hier unfassbar günstig und lecker zugleich!)


Neben den bekannten Felsen gab es in der Region auch die Magura Höhle, die für ihre Höhlenmalereien aus der Jungsteinzeit bekannt war. Die Malereien zeigten eine Vielzahl an Jagdszenen, Zeremonien, Tieren, Menschen und Symbolen.
Leider stellte sich bei unserer Ankunft heraus, dass die Höhle mit den Malereien vor 3 Jahren Vandalismus zum Opfer fiel und seither gesperrt war.
INFO: Trotzdem sind alle 2h geführte Touren im Rest der Höhle möglich. Der Eintritt ist kostenpflichtig.

Unsere Reise ging weiter Nach Montana. Auf dem Weg dorthin kauften wir im vielleicht kleinsten Laden der Welt ein, aber es gab dort wirklich alles! Auf gefühlte 6qm quetschten sich hier Baumarkt, Elektrofachgeschäft, Spielwarenladen, Metzger, Bäcker, Apotheke, Kiosk und Drogeriemarkt. Mit Englisch kamen wir schon lange nicht mehr weiter, aber ein paar Fetzen deutsch sprach hier irgendwie jede/r. Als wir gerade den Einkauf verräumten, kam ein junges Mädchen mit langen, dunkelbraunen Haaren und großen, dunklen Augen zu uns. Sie umarmte Pan, küsste ihn und flüsterte ihm ein paar wohlwollend klingende, bulgarische Worte zu. Pan betrachtete sie mit großen Augen und offenem Mund, während ich die Verbundenheit der beiden Kinder förmlich spüren konnte. Ein magischer Moment! Offenheit, Zuwendung und Liebe kennen keine Sprachbarriere oder 1,5m Abstand! In solchen Augenblicken nehme ich diese verrückte Zeit besonders intensiv wahr, in der Nähe zum Privileg wurde…

Wir setzten unsere Fahrt fort, vorbei an verwelkten Sonnenblumen, die ihre schweren Köpfe hängen ließen, trockenen, staubigen Feldern und bunten Herbstwäldern voller Eichen! Die Straßenverhältnisse waren katastrophal (unser Talweg ist dagegen TIP TOP geteert) und Heidis Offroadfahrwerk war wirklich eine gute Investition. (Ich dachte immer, dass wir davon lediglich in Afrika profitieren würden…)
Der Zerfall der Häuser war auch hier dauerhaft präsent und es fühlte sich an, als würde ein Geisterdorf an das nächste grenzen… Und genau in so einer verlassenen Siedlung fanden wir ein kleines Paradies: Wir landeten in Urovene, in Valentinas Garten, der den Namen „Green Camping“ trug. Dort standen wir unter Walnuss- und Apfelbäumen und wurden unfassbar herzlich empfangen. Valentina sprach perfekt deutsch, da sie mehrere Jahre in Deutschland lebte. Sie führte uns durch ihr Haus, das ganz orientalisch nach Räucherstäbchen roch und betonte, dass wir ALLES nutzen durften. Es war ein gemütliches und musikalisches Haus: im Wohnzimmer stand ein Klavier, neben dem Fenster lag eine Blockflöte und ein Mikrofon auf dem kleinen Holztisch neben der Couch. Während wir gemeinsam ein Gläschen rumänischen Rotwein tranken, klimperte Pascal auf dem Klavier und Valentina erzählte uns von Bulgarien. Dabei beschäftigten mich folgende Worte besonders: „Bulgariens Dörfer sind kaputt. Es gibt hier keine Arbeit.“ Wie konnte das sein? Ich wurde in Reichenbach geboren und selbst DORT gab es überall Möglichkeiten Arbeit zu finden. In der Gastro, Landwirtschaft, Holzbaugewerbe, soziale Berufe… (Und im äußersten Notfall fuhr man halt nach Ohlsbach und riss en paar Stunden in der WTO.)
In Bulgarien hätten sich viele Menschen die Finger nach dieser wirtschaftlichen Vielfalt geleckt, denn Arbeit gab es hier lediglich in den großen Städten wie Sofia, Burgas oder Warna. In Urovene lebten ursprünglich 700 Einwohner, aktuell waren nur noch 60 Menschen dort. Alles stand leer und die Natur eroberte sich ein Gebäude nach dem anderen zurück. Valentinas Erzählungen stimmten mich ziemlich nachdenklich. Zum ersten Mal wurde mir klar, was für ein Privileg es war, in einem Land zu leben, wo es Jobs an jeder Straßenecke gab…

Da sich Valentinas kleiner „Campingplatz“ noch in der Aufbauphase befand, überließ sie den Reisenden, was und wieviel ihnen der Aufenthalt wert war. So hatte man die Wahl, ob man sich handwerklich einbrachte, ein Fläschchen Wein spendete, oder ein paar Flocken in den Umbau-Pot warf.
Ein Modell, das wir so an noch keinem anderen Ort erlebt hatten und uns total beeindruckte!
Auch drei sympathische, deutsche Motorradfahrer schlugen Nachmittags ihre Zelte neben uns auf und verbrachten die Nacht an diesem besonderen Fleckchen Erde. Valentinas Green Camp ist wirklich ein Geheimtipp und mit ihrer herzlichen Art verleiht sie dem ganzen einen warmen und familiären Zauber!
(Hier findet ihr zu Valentina: N 43° 22′ 18.83″ , E 23° 24′ 45.17″)


Das Wetter war in den folgenden Tagen leider nicht auf unserer Seite. Es regnete in Strömen, die Temperaturen sanken und wenn ich ehrlich bin, ist „Vanlife“ an solchen Tagen einfach scheiße. Auf Social Media sitzen die Influencer an Regentagen im Tanga MIT Wollsocken vor ihrer Tasse Tee, die sie auf dem kleinen Holzofen im Bus gekocht haben und schnabbulieren selbstgebackenen Kuchen… Bei uns sieht das so aus: der Junior räumt ALLES aus, überall hängen nasse Kleidungsstücke zum Trocknen und der Gang zum Kühlschrank gleicht einem Hürdenlauf. Pan isst im Stehen und schmiert Essensreste an die Sitzbank, Pascal putzt mit Polsterteiniger hinterher… Ist die Standheizung an, ists zu warm. Ist sie aus, ists zu kalt. Im „Esszimmer“ kann nur der Jüngste im Bunde aufrecht stehen und manchmal verrichtet man sein Geschäft, während die anderen nebenan Abendessen… Das ist die Realität, Freunde. Und alles, was euch Instagram zeigt, ist gelogen.

Unsere Reise ging weiter zur beeindruckenden Devetashka Höhle. Auf einer Strecke von 2,5km gab es 7 riesige Löcher (das größte davon war 73x48m!!!), die sich in der Decke der Höhle befanden und Tageslicht in das Innere fallen ließen. Aufgrund dessen gab es hier eine Pflanzenvielfalt, die wir so in noch keiner anderen Höhle gesehen hatten. Ein kleiner Bach mit klarstem Wasser floss zwischen dem Gestein hindurch und 30.000 Fledermäuse waren hier zuhause. Im Sommer bleibt die Höhle aufgrund der Brutzeit einiger Säugetiere für 8 Wochen geschlossen.
2011 fanden hier außerdem die Dreharbeiten zu „The Expendables 2“ statt und leider wurde an vielen Stellen gegen die bulgarischen Umweltvorschriften verstoßen. Dadurch wurden eine Vielzahl an Fledermäusen aus der Höhle vertrieben. Leonardo DiCaprio, der alte Tierschützer, hätte so etwas nie zugelassen. Go vegan, ihr Lutscher!


Nachdem wir in Norwegen bereits eine Stabkirche besichtigt hatten, wartete in Ivanovo eine Felsenkirche auf uns. Sie wurde zwischen 1300 und 1400 in knapp 40m Höhe in den Fels gehauen und war damals über eine Außentreppe zu erreichen. Nichts für schwache Nerven. Sowohl Pascal, als auch ich wagten nur einen kurzen Blick in die Tiefe. Der ehemalige Eingang wurde zum Balkon umfunktioniert und bietet eine tolle Aussicht auf die umliegende Natur. Die Malereien sind knapp 800 Jahre alt und wurden vor 20 Jahren mit finanzieller Unterstützung der UNESCO konserviert.
Einige Meter weiter lebten die Mönche unter einem Felsvorsprung und noch heute ist der Ruß vom Lagerfeuer am Gestein zu sehen.
Und so schön dieser Ort und das umliegende Herbstpanorama auch waren, so sehr hatten wir auch die Schnauze voll von den eisigen Temperaturen!


Unsere Reise ging weiter an’s Schwarze Meer! Die Winterjacken konnten wir zwar noch nicht wegpacken, aber das Gefühl, endlich wieder den Sand unter den Füßen und das Salz auf der Haut zu spüren, sorgte bereits für ausreichend Sommerfeeling… Am Meer war komischerweise immer alles schöner und einfacher. Der Alltag fühlte sich nicht alltäglich an und selbst die ätzenden Dinge, wie Geschirr spülen, waren nur halb so kacke. Und mit dem Rauschen der Wellen aufzuwachen, stimmte selbst mich noch VOR dem ersten Kaffee munter!


Doch es gab diese eine Wetterlage, die selbst den schönsten Platz auf Erden madig machte: Regen, Regen, Regen! Egal, wo wir landeten, er war unser ständiger, bulgarischer Begleiter. Arschloch.
Also nutzten wir auch hier das miese Wetter, um weiterzufahren. Als ich jedoch sah, wie die Straßen überschwemmt waren und die Autos durch die Fluten schlichen, wurde mein Genervtsein vom kühlen Nass schnell zum Luxusproblem. In vielen Orten kämpften die Einheimischen mit Hochwasser und ich jammerte und klagte, obwohl ich gesund war, geliebt wurde und die pure Freiheit lebte… Ich glaube, ich bin nicht die einzige, die sich ihr großes Glück manchmal in’s Gedächtnis rufen muss.

Der Tag wurde gekrönt mit meinem bisher schlimmsten Offroad Erlebnis: wir hatten an einer steilen, ca. 10m hohen Sandklippe einen Platz gefunden. Nachdem es dauerhaft regnete und halb Bulgarien überschwemmt war, kamen wir jedoch nicht auf die Idee, die Bodenverhältnisse im VORAUS zu checken… Schon kurz darauf legte sich der matschige Sand wie eine zweite, glatte Schicht vollflächig um Heidis Reifen, wodurch wir keinen Gripp mehr hatten. Wir kamen kaum voran und rutschten immer näher an den Abgrund heran. Ich bekam so Panik, dass mir Pascal nach meinem zehnten hysterischen „OH MEIN GOOOOTTTTT!“ einen Platzverweis erteilte. Ich schnappte mir Pan und stellte mich innerlich schon darauf ein, meinen Mann und unser kleines Heim das letzte Mal gesehen zu haben. Pascal bahnte sich langsam seinen Weg und war froh, dass er mich nicht mehr rumschreien hörte. Dabei rutschte er immer wieder gefährlich nahe an den steilen Abgrund und es fehlten nur einige cm und die Fahrt wäre in einem Horrorszenario geendet… Mit durchdrehenden Reifen schaffte er es letztendlich sich selbst und unser rollendes Zuhause in Sicherheit zu bringen. Mir war sterbensschlecht, ich war den Tränen nahe und so viel Abenteuer braucht wirklich NIEMAND! Selbst Pascal, der so geerdet und souverän wirkte, kippte sich nach diesem Spektakel erstmal ne Landung Bier hinter die Binde. Wir fanden einen hässlichen Schotterplatz direkt neben der Straße und kurz vor der Grenze und es war uns einfach scheißegal! Wir waren nur dankbar, dass wir die Rutschpartie gut überstanden hatten.

Der nächste Morgen begann direkt mit einem Besuch der Grenzpolizei. Pascal begrüßte die Beamten freundlich, die mit strengen Blicken um unser Auto herum schlawenzelten. Er versuchte auch ein Gespräch aufzubauen, um ihre Absichten herauszufinden – leider erfolglos. Die Polizisten schauten kritisch in den Innenraum unseres Fahrzeuges, liefen anschließend in Zeitlupe weiter, zückten ihr Funkgerät und gaben einige für uns unverständliche Infos an die Zentrale weiter… Pascal fragte erneut, ob es OK sei, dass wir hier frühstückten. Immerhin bekamen wir jetzt ein „No problem!“ als Antwort. Die Beamten verschwanden daraufhin in den angrenzenden Wald, kamen nach 15min wieder zurück, setzten sich in den Streifenwagen und fuhren weiter, als auch wir Heidis Motor starteten. Zuerst dieses ungewollte Offroad Abenteuer und dann auch noch diese suspekte Begegnung mit der border police…

Unsere Reise geht weiter in die Türkei!

Dieser Beitrag hat 3 Kommentare

  1. Anonymous

    Ach, mein Mädel,
    wie stolz bin ich, wenn ich deine Zeilen lese- locker, flockig, grundehrlich, witzig, nachdenklich…Und immer wieder rückst du mein kleines Leben zurecht, gibst mir mit deinen Schilderungen einen Tritt in den Allerwertesten ( du verwendest lieber das andere „A“- Wort😉) und lehrst mich, dass ein bisschen Zufriedenheit manchmal nicht schadet 🤦🏼‍♀️!
    Und nun sucht bitte schöne, gepflasterte Straßen aus und fahrt dem nächsten Höhepunkt eures Lebenstraumes entgegen ❣
    Wir sind mit unserer Liebe bei euch🧡🧡🧡
    Die aus der Hub❤

  2. Danielle

    Hallo meine liebe… Besser wie jedes Buch… Falls du eines schreiben solltest nach eure großen Reise bin ich die jenige die eine der Erstausgabe bekommt 😍😍!!
    Ich liebe eure blocks 🤩🙋‍♀️

  3. Freundin von Tina und Ann

    Mein Lieblingsblogeintrag!😄 Lisa, es macht so Spaß deine Texte durchzulesen und die tollen Bilder anzuschauen 😍

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